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Artikel 26 von 44
KommDesign.de — Galerie — schlechte Formulare

Kontakt mit hohem Unternehmens-IQ
 
Vom Feedback über eine Website profitiert der Anbieter stärker als die/der Benutzer/in. Das ist ganz eindeutig, und auch blumige Phrasen wie "...denn wir möchten unser Angebot noch besser an Ihre Wünsche anpassen" können darüber nicht hinwegtäuschen. Damit trägt der Anbieter die Verantwortung dafür, daß alles (a) diskret und (b) reibungslos vonstatten geht, und daß (c) die/der hilfsbereite Besucher/in mit der gebührenden Wertschätzung behandelt wird. Indiskrete, schlecht durchdachte Formulare und Systemmeldungen in Technikerdeutsch und/oder Kasernenhofton sind deshalb ein sicherer Weg, das eigene Image zu demolieren. 

Und erstaunlicherweise verhalten sich hier die ganz Großen, die buchstäblich Zehntausende in Ihre Sites investieren, oftmals noch ungeschickter wie die Selfmade-Profis von nebenan. Vielleicht liegt es daran, daß mit dem Aufbau großer, wichtiger Sites so viele wichtige Leute beschäftigt sind, daß die Zeit für die unwichtigen Details, die die Probleme der Kunden betreffen, chronisch knapp ist. Das nächste wichtige Meeting wartet schon....

Das Beispiel bzw. Erlebnis, das ich in diesem Beitrag schildern möchte, beginnt auf der Website des Software-Riesen SAP mit einem klitzekleinen Problem. Auf einer Seite führt der Klick auf ein Link ins Leere - nanu? Ich beschließe spontan, den Verantwortlichen eine kurze Notiz zukommen zu lassen. Die SAP AG wird mit ihrem Format und ihrem sicherlich beachtlichen "Unternehmens-IQ" (eine schmissige SAP-eigene Wortkreation) in Sachen Kontaktdesign sicherlich vorbildlich sein. Also nimmt das Drama seinen Lauf...

Schritt 1: 

Ich klicke auf "Kontakt" und es erscheint eine Seite, auf welcher ich zwischen verschiedenen Kontaktanlässen wählen kann. 

Schritt 2: 

Ich wähle "Alle weiteren Fragen, Anregungen und Kritik". Das ist wohl die richtige Kategorie... 

Schritt 3:

Ein Fenster zum Eingeben meiner Nachricht erscheint, und ich mache mich gleich daran, mein Sprüchlein aufzusagen:

 

 
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Gut. Jetzt schnell ans Seitenende scrollen um das Ganze abzuschicken. Die Eingabefelder für Name, Adresse, Telefonnummer usw. lasse ich großzügig frei...


...und freue mich insgeheim, daß hier nicht diese blödsinnigen Sternchen zu sehen sind, welche sonst üblicherweise anzeigen, was ich "unbedingt" über mich preisgeben muß, um Kontakt aufnehmen zu dürfen. Das ist ja hier vorbildlich einfach und diskret! Und ich finde es jetzt auch nur noch halb so schlimm, daß es keinen Hinweis auf den Datenschutz gibt (obwohl: schöner wär's schon...).  

 
 
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Schritt 4:

Meine E-Mail Adresse trage ich noch rasch ein, schließlich soll mein Feedback nicht anonym sein - vielleicht bekommt ja jeder 10.000ste Feedbackler (oder sagt man Backfeedler?) einen schönen Sachpreis. Da wäre es doch schade..... 

Schritt 5:

Am Seitenende kommt dann eine erste Irritation:

Hmm - ich bin eigentlich weder Kunde noch Partner noch Journalist noch Student noch Interessent noch Berater noch Investor und habe auch gar keine "Beziehung" zu SAP. Und das geht die Leute, welche die defekten Links auf der Website reparieren (die Adressaten meines Feedbacks) auch gar nichts an. Ich habe darüber hinaus den Verdacht, daß ich nur deshalb mit dieser Zwangsbeselbstklassifikation aufgehalten werde, damit jemand auf einer Quartalssitzung eine bunte Grafik präsentieren kann: "Sehen Sie, wir haben 12,23% mehr ausgefüllte Formulare gegenüber dem vorigen Quartal. Der relative Anteil der Investoren bzw. Studenten ist dabei um 1,92% bzw. 0,881% gestiegen bzw. gesunken, während Kunden 3,5% mehr geworden sind. Partner und Interessenten sind in etwa auf gleichem Niveau geblieben." Das ist ja wirklich spannend.

Nun, da es die Alternativen "Nichts von alledem", "Sonstiges", "geht Sie nichts an",  oder "keine Angabe" nicht gibt, markiere ich "Interessent" - scheint mir am unverbindlichsten.

 
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Schritt 7:

Ich klicke auf "Absenden", und während ich warte, bis die Bestätigung erscheint, sinne ich darüber nach, ob ich nicht vielleicht doch in SAP-Aktien investieren sollte. Diese Überlegungen werden von der folgenden System-Meldung unsanft unterbrochen:

Na, also das ist ja nun aber 'mal sowas von einer Rückmeldung, geradezu eine Rückmeldung von einer Rückmeldung, finden Sie nicht auch? Die in Englisch - warum eigentlich, damit's amtlicher klingt? - formulierte Fehlermeldung, die im Verhältnis zu den anderen Texten bei SAP geradezu gigantisch-fette Schrift und das markige Ausrufungszeichen hinter "... nicht ausgefüllt" machen gemeinsam und unmißverständlich klar: Jetzt ist aber Schluß mit lustig!!! (zum Glück blinkt, heult  und trötet nichts.)

Oh weh - da habe ich doch glatt etwas falsch gemacht, ich Trottel, und mich auch noch erwischen lassen. Aber worin besteht er denn nun eigentlich, der schlimme "error" ? Nun, es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten: 

(a) SAP hat etwas falsch gemacht, weil auf dem Formular erklärt werden müßte, welche Felder ausgefüllt sein müssen, damit es gleich funktioniert und man sich diese Fehlermeldung garnicht erst nicht anschauen muß. 

(b) Ich habe etwas falsch gemacht, weil ich verstockt war und meinen Namen nicht gleich und freiwillig nennen wollte. Und daß das so sein muß, hätte ich mir denken können - gefälligst! 

Und welche ist richtig? SAP neigt offenbar zur Variante (b), ich neige zu (a) kombiniert mit (c), daß es sich hier überhaupt nicht um einen "error" im Sinne einer Fehlfunktion oder -bedienung, sondern einfach um tolpatschiges Design in Verbindung mit unfreundlicher Kommunikation handelt. Normalerweise würde ich jetzt kurzerhand abbrechen - sollen die doch selbst ihre kaputten Links suchen! Jetzt möchte ich es aber genauer wissen. Ich beschließe, mein Feedback auf jeden Fall anzubringen - wäre doch gelacht, zur Not zwinge ich es ihnen 'rein!
 
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Schritt 8:

Ich trage meinen Vornamen und vorsichtshalber auch gleich meinen Nachnamen ein und schicke das Formular noch einmal ab. Das Feedback kommt wieder ebenso prompt wie einfühlsam:

Es ist kaum zu glauben. Ohne detaillierte Information über meine Person ist SAP anscheinend wirklich nicht bereit, sich von mir mit einem Tip über ein defektes Link helfen zu lassen. Anscheinend testet da ein Programm im Hintergrund die Vollständigkeit der Einträge in einer festen Reihenfolge und bricht ab, sobald es dabei auf das erste leere Feld stößt. Dann sondert es eine unfreundliche Fehlermeldung ab, die mir nicht einmal hilft, alles notwendige in einem Schritt zu ergänzen. Schließlich stellt es kurzerhand seine Tätigkeit ein und lauert auf die nächste unvollständige Eingabe. Das ist ja hochintelligent!
 

 
 
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Schritt 9:

Ich mache nun  das, was ich ich in solchen Fällen immer mache. Ich gebe als Adresse den Nur-nicht-so-neugierig-Weg in 12345 Bad Indiskret an und schicke das Formular nochmals ab. Kaum geschehen, blafft mir die nächste Meldung entgegen:

  Nachdem ich mich von dem neuerlichen Anschiß erholt habe, kontrolliere ich natürlich meine E-Mail Adresse auf der Meldung (aber genauestens, je-den Buch-sta-ben!), und: Es ist meine, ich erkenne sie wieder, kein Zweifel. Es scheint so, als ob der SAP-Server jetzt endlich genug von dem Versteckspiel hat. "Sie wollen Ihren Namen und Ihre Adresse nicht herausrücken? Gut, dann wollen wir auch kein Feedback von Ihnen, behalten Sie es, wir sehen erst garnicht hin, ha! Das haben Sie jetzt davon!"

Im Ernst: "...wurde vom Server nicht erkannt" - verstehen Sie das? Ist der Server vielleicht unversehens erblindet? Oder hat er einen über den Durst getrunken, gerade über etwas anderes nachgedacht, woanders hingeschaut oder seine Brille nicht aufgesetzt? Ein echtes Rätsel. Die Anweisung eine "gültige" Adresse einzugeben, hilft mir auch ungemein, denn meine E-Mail Adresse hat eigentlich immer funktioniert und tut es noch heute. Die Anweisung, die Adresse im Format "user@domain" einzugeben, erinnert mich übrigens an mein letztes Telefonat mit der Hotline von Compuserve. Nachdem ich dort ein Problem mit der Zugangssoftware geschildert hatte, wurde ich von der Dame mit der angenehmen Stimme gefragt,  ob denn der Stecker des Modems auch in der Telefondose...?  (Sie wissen schon, das sind die Fragen aus der untersten Schublade, der für die Volltrottel). 

Aber gut, okay, ich habe begriffen, SAP ist stärker, der "Unternehmens-IQ" einfach zu hoch. Das hat man davon, wenn man als einzelner gegen mächtige Konzerne aufbegehrt. Die sitzen dann letztlich doch am längeren Hebel. Ich gebe auf.

 
 
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© Dr. Thomas Wirth Kommunikationsdesign - eMail: thomas.wirth@kommdesign.de
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